Herzlich willkommen zum Dextalk, dem Expertengespräch für moderne Logistik. Mein Name ist Stefan Junge und ich bin Head of Marketing bei der Gonvarri Material Handling Gruppe. Heute habe ich einen besonderen Gast eingeladen: Herrn Charly Gfeller von Chalog aus der Schweiz. Wir sprechen heute über die Herausforderungen und Lösungen in der innerbetrieblichen Logistik. Herr Gfeller, bitte stellen Sie sich kurz vor.
Sehr gerne. Ich arbeite seit zwei Jahren als selbstständiger Logistikkoordinator in der Schweiz. Ich berate zu den Themen Lager- und Logistikprozesse, Infrastrukturprojekten und Optimierungen im Lager. Zu meinen Kunden gehören vorwiegend kleine bis mittelständische Unternehmen.
Sie sind seit zwei Jahren selbständig, jedoch sicherlich schon länger in der Intralogistik Branche tätig, ist das richtig?
Ja, das ist so. Ich habe vor über 45 Jahren als Zimmermann begonnen und habe mich dann gut 30 Jahre lang in der Logistikwelt bewegt und mich von unten bis zum Logistikleiter hochgearbeitet. In dieser Zeit durfte ich sehr viele spannende Veränderungen und Anpassungsprojekte begleiten und mitgestalten.
Und das waren ausschließlich Projekte in der Schweiz oder auch Projekte über die Landesgrenzen hinaus?
Das waren alles Projekte, die in der Schweiz realisiert wurden, aber auch zum Teil mit Firmen, die im europäischen Raum arbeiten.
Was sind die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit?
Die Schwerpunkte liegen vor allem darin, kleine und mittelständige Unternehmen zu beraten. Oft ist es so, dass die Unternehmen in den vergangenen 30 bis 40 Jahren wirtschaftlich erfolgreich gewirtschaftet waren, aber kaum Veränderungen und Optimierungen vorangetrieben haben. Jetzt ist es höchste Zeit, Lagereinrichtungen und vor allem auch Prozesse gemäß den heutigen Anforderungen anzupassen. Dabei begleite ich sie gerne mit meiner Erfahrung.
Auf der LogiMAT Messe haben wir über aktuelle Herausforderungen in der Intralogistik gesprochen. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Veränderungen und Anforderungen in der heutigen Zeit?
Die Intralogistik muss heute flexibel und wandelbar sein. Früher plante man Lager mit einem Zeithorizont von 15-20 Jahren. Heutzutage kann niemand sicher voraussagen, wie sich die Anforderungen in den nächsten 3-5 Jahren verändern werden. Die Digitalisierung und die Anpassung an flexible Lagerungssysteme sind entscheidende Erfolgsfaktoren.
Wie sehen Sie die Rolle der Automatisierung in der modernen Logistik, insbesondere für KMUs?
Automatisierung hat massiv zugenommen, auch weil es heutzutage relativ kostengünstige automatisierte Systeme gibt. Vor allem im E-Commerce und Handel wird Automatisierung immer häufiger implementiert. Die Herausforderung besteht darin, die richtige Balance zwischen manuellen und automatisierten Prozessen zu finden, um flexibel und effizient zu bleiben.
Wie sieht es mit bestehenden Lagergebäuden aus? Sind diese für moderne Logistikanforderungen geeignet oder ist ein Neubau oft die bessere Lösung?
In der Schweiz haben viele bestehende Gebäude gute Grundvoraussetzungen für eine Modernisierung. Allerdings variieren die Anforderungen, insbesondere beim Brandschutz, stark von Region zu Region. Es lohnt sich oft, bestehende Gebäude zu überprüfen und anzupassen, anstatt neu zu bauen. Das spart nicht nur Kosten, sondern ist auch nachhaltiger.
Apropos Nachhaltigkeit: Welche Rolle spielt dieses Thema in Ihren Projekten und wie reagieren die Kunden darauf?
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema. Kunden fragen immer häufiger nach energieeffizienten Lösungen. Beispielsweise kann durch die Implementierung von Lichtsteuerungssystemen im Lager Energie gespart werden. Auch die Nutzung von Solarpanels auf Dächern und die Rückgewinnung von Wärme sind wichtige Aspekte. Es gibt Kunden, die von Anfang an über Nachhaltigkeit sprechen, und andere, die sich im Laufe des Projekts damit auseinandersetzen.
Lassen Sie uns über zukünftige Anforderungen sprechen. Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie in den nächsten Jahren in der Logistikbranche?
Die Strukturierung und Neuausrichtung von Lagerabläufen, die Verdichtung bestehender Lagerflächen und die Implementierung von teil- und vollautomatisierten Lösungen werden die wichtigsten Themen sein. Insbesondere KMUs stehen vor der Herausforderung, diese Veränderungen effizient und wirtschaftlich umzusetzen.
Sie haben die Digitalisierung erwähnt. Wie wichtig ist die Integration von IT-Systemen in Logistikprozesse?
Die digitale Datenaufbereitung und -nutzung wird immer wichtiger. Man muss genau wissen, was im Lager bzw. den Regalen liegt und wie sich die Bestände verändern. IT-gestützte Systeme und Prozesse sind entscheidend, um Effizienz und Transparenz zu gewährleisten. Viele KMUs stehen hier noch am Anfang, aber die Notwendigkeit, in moderne IT-Lösungen zu investieren, nimmt stetig zu.
Was sind die häufigsten Fragen, mit denen Ihre Kunden auf Sie zukommen?
Oft spüren die Kunden den Druck zur Digitalisierung und möchten ihre Lagerverwaltungssysteme oder ERP-Systeme erneuern. Eine saubere Analyse ist hier der Schlüssel: Was benötigt der Kunde wirklich und wie können wir die Intralogistik zukunftssicher gestalten? Die Investitionskosten und der Return on Investment (ROI) spielen dabei natürlich eine große Rolle.
Neben den technischen Herausforderungen spielt auch das Thema Ergonomie am Arbeitsplatz eine immer größere Rolle. Wie gehen Sie damit um?
Ergonomie am Arbeitsplatz wird einfach vorausgesetzt. Es geht darum, die Arbeitsbedingungen kontinuierlich zu verbessern, zum Beispiel durch verstellbare Arbeitshöhen oder automatisierte Systeme, die schwere Hebearbeiten übernehmen. Wichtig ist auch die Weiterbildung der Mitarbeiter, damit sie die neuen Technologien und Möglichkeiten effektiv nutzen können.
Ein weiteres wichtiges Thema ist Künstliche Intelligenz (KI). Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach KI in der Logistik?
KI ist momentan noch ein Hype, aber ich bin überzeugt, dass sie in den nächsten Jahren eine immer größere Rolle spielen wird. Besonders bei der Analyse von Bewegungsdaten und der Wartung von Maschinen sehe ich großes Potenzial. Allerdings fehlt oft die notwendige Datenbasis, um KI effektiv einzusetzen. Hier muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Welche Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf rechtliche Rahmenbedingungen und Bürokratie?
Die zunehmende Bürokratie und die Vielzahl an Reglementierungen sind eine große Herausforderung für viele Unternehmen. Gerade im Bereich der Nachhaltigkeit und Sicherheit gibt es immer mehr Vorschriften. Unternehmen müssen entweder eigene Ressourcen aufbauen oder externe Expertise hinzuziehen, um diese Anforderungen zu erfüllen.
Zusammengefasst: Was sind Ihrer Meinung nach die drei Top-Themen, die die Logistikbranche in den nächsten Jahren prägen werden?
Erstens die Neuausrichtung der Lagerstrukturen und -abläufe, zweitens die optimale Nutzung bestehender Lagerflächen und drittens die Implementierung von Teil- bzw. Vollautomatisierung. Diese Themen werden entscheidend sein, um in der sich schnell wandelnden Logistikbranche wettbewerbsfähig zu bleiben.
Vielen Dank für die Einblicke, Herr Gfeller. Ich bedanke mich sehr für das Gespräch.
Vielen Dank, Herr Junge. Es war mir eine Freude.